Rezension Hör- oder Lesetipp: Julia Shaw - BÖSE


BÖSE von Julia Shaw

Die Psychologie unserer Abgründe

julia shawÜber die Autorin

Julia Shaw (* 1987 in Köln) ist eine deutsch-kanadische Rechtspsychologin und Autorin, die sich insbesondere mit Erinnerungen und deren Manipulationen befasst. Sie ist Kriminalpsychologin und Bestsellerautorin, fungiert auch als Beraterin für Polizei und Justiz. Nun taucht sie hier nach ihrem ersten Bestseller: DAS TRÜGERISCHE GEDÄCHTNIS - WIE UNSER GEHIRN ERINNERUNGEN FÄLSCHT in diesem Buch das Phänomen des Bösen in neues Licht.

Sie sucht und findet das Böse nicht nur in den Gehirnen von Massenmördern, sondern in jedem von uns. Und sie erläutert mithilfe psychologischer Fallstudien und neuester neurowissenschaftlicher Erkenntnisse, wie wir uns mit unserer dunklen Seite - unserer Schattenseite -  versöhnen. Es handelt auch von Psychopathen wie Charles Manson oder Serienmördern wie Jack the Ripper, von denen eine unheimliche Faszination ausgeht. Doch woher kommt das? Und warum verdrängen wir so gern das alltäglichere Böse – von den eigenen Gewaltphantasien bis zum Machtmissbrauch im Büro? Ein augenöffnendes Buch, das die vertrauten Kategorien von Gut und Böse völlig über den Haufen wirft.

Für wen ist das Buch empfehlenswert?

Viele Menschen tun sich schwer mit den Schattenseiten anderer oder mit den eigenen. Die Schattenseiten werden in unserer Gesellschaft nicht gern gesehen und sie werden entsprechend bestraft. Leider führt Bestrafung - wie man heute klar sehen kann - zu keiner Verbesserung der Verhältnisse. Ich stelle jedoch in der Praxis fest, dass sehr viele meiner Klienten sich mehr oder weniger bewusst für Fehlverhalten, Versagen, scheinbar abzulehnende Charaktereigenschaften so hart bestrafen, dass sie in ihrem Prozess festzustecken scheinen. Vielleicht ist dieses Buch also hilfreich für so manch einen, der sich gar zu hart für etwas verurteilt, was gar nicht soo gravierend ist, wie man es ihn glauben machte. Es ist ein Buch, das helfen möchte zu verstehen, warum wir einander oft Entsetzliches antun. Und natürlich kann sich der eine oder andere auch ertappt fühlen beim Lesen, und die eine oder andere seiner Verhaltenweise auch hinterfragen!

Da ich es mir als Hörbuch ohne Extra Kosten über einen gängigen Musikprovider angehört habe, kann ich auch die Sprecherin Rike Schmid als gelungene Besetzung empfehlen.

Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen,
daß er nicht dabei zum Ungeheuer wird
Friedrich Nietzsche

böse julia shaw

Worum geht es hier?

Julia Shaw hat dieses Buch gut und flüssig, locker und humorvoll geschrieben sowie professionell recherchiert. Sie hat einen lockeren Schreibstil, der zwar etwas akademisch klingt, aber trotzdem echt angenehm zu lesen ist. Wer sich mit dem Thema Psychologie gerne etwas beschäftigt wird vielleicht vieles schon wissen. Dieses Buch beinhaltet interessante Veranschaulichungen und einfach erklärte Fakten, die jeder verstehen kann! Sie will dieses Buch als Plädoyer gegen das Böse verstanden wissen und macht verständnlich, warum und wieso Menschen das alltägliche Böse aus ihrem Leben verbannen wollen. 

Kein Selbsthilfebuch

Sie hat hiermit kein Selbsthilfebuch geschrieben, sondern sie berichtet spannend und manchmal provokativ von Tabuthemen, Studienergebnissen, Studienerkenntnissen, und dem alltäglichen Bösen auf eine ganz neue, ganz andere Weise: sachlich und persönlich! Sie stellt nicht nur sich die Frage, was eigentlich "böse" sein soll sondern auch wo es zu finden ist und wie und warum es entsteht. 

Sie zeigt an vielen Beispielen auf, dass viele Taten, die als monströs und böse bezeichnet werden, häufig aus einer normalen Psyche und einem Gehirn ohne erkennbare Schädigungen stammen. Auch beweist sie, dass es relativ einfach ist, gewöhnliche Menschen so zu manipulieren, dass sie schlimme, oft geradezu verbrecherische Taten begehen. Sie belegt ihre Behauptungen immer wieder mit konkreten Forschungsergebnissen! 

Sind wir wirklich alle auch böse?

Für Shaw existiert das Böse eher als Wort, als subjektives Konzept und sie begründet ihre Überzeugung damit, dass es nichts gibt, was objektiv böse ist. Dabei hält sie es für wahrscheinlich, dass das Böse wirklich nur in unseren Ängsten existieren könnte. Es gibt sehr viele Fußnoten und Verweise, zu den hier vorgenommenen Versuchen und Untersuchungen, die ihr als wissenschaftliche Grundlage dienen.  Das Buch fördert das Nachdenken über den Begriff "Dehumanisierung", weil oft vergessen wird, dass es zunächst einmal um Menschen handelt. 

Genaue Untersuchungen und merkwürdige Experimente

Sie betrachtet zahlreiche Verbrechen wie Mord, Gewalttaten und Verstöße gegen sexuelle Normen genauer und vertritt dabei bewusst und den Leser zur Stellungnahme herausfordernd die Gegenseite, stellt also übliche Normen infrage. Sie zeigt sogar auf, dass verabscheute Verbrechen unter bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen absolut anerkannt oder sogar verlangt werden, etwa im Krieg. Bei sexuellen Perversionen stellt sie heute allgemein akzeptierte Praktiken wie Ehebruch oder Homosexualität anderen Zeiten oder Ländern gegenüber, wo diese hart verurteilt werden oder wurden. Sie geht darauf ein, wie sehr in Filmen oder in Fantasien Tabus gebrochen werden und hinterfragt die Beliebigkeit von jeweiligen Maßstäben und Gesetzen. Im Buch geht es auch um Vorurteile, die Absolution von Gott angeblich gebilligten Schandtaten, Naive Kategorisierungen geschichtlicher Akteure, Heuchlerei und Bigottismus und um die schlimmen Auswirkungen von Gleichgültigkeit.

Zudem erforscht sie, wie sich Adolf Hitlers Hirn von dem anderer Menschen unterschied (gar nicht). Sie wendet sich Themen wie Aggression, Sadismus, Perversion und Pädophilie zu und verschont den Leser nicht vor bedrohlichen Themen wie Experimenten mit künstlicher Intelligenz und anonymer Internet-Kriminalität. Als Psychologin analysiert sie das berühmt-berüchtigte Milgram-Experiment (1961) und das Stanford-Prison-Experiment (1971). 

Des Weiteren geht sie auf Themen wie Persönlichkeitsstörungen, Cute Aggression, Dunkle Tetrade, Mordfantasien, Testosteron, Moral, Vertrauen, Schizophrenie, sexuelle Devianz, Pornografie, Massentierhaltung, Terrorismus, Sicherheit, Sklaverei, kognitive Dissonanz und Frauenfeindlichkeit ein! Sie hat wirklich gründlich gearbeitet.

Und schliesslich benennt sie zehn Grundsätze, wie man mit den Thema "böse" umgehen soll und bittet ihre Leser, das Wort in Zukunft zu vermeiden, sich vor unüberlegtem Gebrauch zu hüten. 

Ein eher nachdenklich stimmendes und provokatives Meinungsbuch

Wer konservativ denkt, findet dieses Buch vielleicht nicht so gut verdaulich. Eher progressive Leser können sich fragen, warum sie auf der individuellen Ebene verweilt und nicht gleich danach fragt, woher gesellschaftliche Wertvorstellungen denn nun eigentlich wirklich kommen. Doch so radikal wollte sie dann wohl doch nicht sein. 

Ihr Buch ist eine Einladung, uns gegenseitig wieder als komplexe Individuen wahrzunehmen, uns gemeinsam über unsere psychischen Abgründe zu beugen und zu staunen. 

Ganz am Ende äussert sie sich eindeutig dazu, was sie als objektiv angemessenes Verhalten betrachtet und was nicht und stellt dies auf eine Weise dar, dass nur wenige Menschen widersprechen werden wollen.

Im Vergleich zu ihrem vorherigem Buch über Erinnerungen ist dieses Buch eher ein provokatives Meinungsbuch, das zum Nachdenken anregt. Und vielleicht stellt es auch einmal eine interessante Abwechslung zum üblichen Krimi dar! Es ist definitiv keine leichte Kost und so manches was man hört, kann einem eine Weile im Magen liegen oder Veränderung bewirken. Also doch kein Ersatz zum Krimi, in dem der Böse definitiv NICHT man selbst ist? Und ich habe es definitiv nicht in einem Schwung durchgelesen, das hätte mein Magen nicht vertragen! Ich musste mich schon stabil fühlen, um bereit zu sein HINZUHÖREN... HINZUSCHAUEN ... ETC

 

 

 

Mein Wirkungskreis

Vor Ort in meiner Praxis
in Schifferstadt

Im Umkreis
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Heilpraktiker für Psychotherapie
in Schifferstadt auf jameda